Schlacht um Berlin

Frontgebiet, Frontstadt, Schlachtfeld Berlin

11. Die "Festung" Berlin mit ihren "Zitadellen"

Berlin wird auf Hitlers Geheiß, aus falscher Zuversicht und richtig bedachter massenpsychologischer Vorsicht erst sehr spät, nämlich am 1. Februar durch Gauleiter Goebbels zur Festungsstadt erklärt, kann aber aus Mangel an Zeit, Arbeitskräften und Mitteln nicht mehr befestigt werden. Berlin wird weder für die Sowjetarmee und ihre polnischen Hilfstruppen (Kosciuszko-Division) noch für die aus allen Teilen von Wehrmacht, SS und Parteigliederungen zusammengewürfelte "Stadtgarnison" als Festung zu belagern respektive zu verteidigen sein. Berlin gleicht eher einem durch Wasserwege zerteilten und mit Schutthaufen übersähten Mehr-Etagen-Labyrinth.

In der obersten Etage dominieren die Bomber, Jäger und Aufklärungsflugzeuge zuerst der Westalliierten, ab Mitte April dann fast ausnahmlos die der sowjetischen Luftflotte. Die in der Regel viergeschossigen Wohn- und Verwaltungsbauten, und davon stehen auch nach hunderten von Bombenangriffen noch über die Hälfte, bilden für unerwartete Feuerüberfälle, Widerstandsnester und verlustreiche Nahkämpfe ein ideales Terrain. Deshalb erhalten die Rotarmisten den kategorischen Befehl, jedes Haus zu sprengen, aus dem bewaffneter Widerstand erfolgt. Aus Mangel an Sprengmitteln und bedingt durch die unübersichtliche Dynamik des Häuserkampfes wird diese Weisung jedoch keinesfalls ausnahmslos befolgt. Eher bewährt sich der infanteristische Einsatz von Flammenwerfern. Schuttaufhäufungen und Granat- bzw. Bombentrichter bilden "natürliche" Barrieren und Deckungsmöglichkeiten zuhauf.

Die subterranen Areale wie Keller, Gewölbe, Erdbunker, Wasserleitungen, U-Bahntunnel und Unterführungen bilden für beide Seiten sowohl Chancen als auch Risiken. Viele dieser halb- oder ganz unterirdischen Baulichkeiten dienen der Zivilbevölkerung als Unterstände oder sogar Unterkünfte sowie als Notlazarette.

Militärische, infrastrukturell-bauliche, sogar ressourcen-industrielle Angriffspunkte gibt es für die Angreifer Berlins zwar jede Menge, aber am ehesten erinnern noch die drei Flakturmpaare (Tiergarten/Zoo, Mitte/Humboldthain und Friedrichshain/Volkspark) an Bastionen, die es zu erstürmen resp. verteidigen gilt. Und wirklich erweisen sich diese für die Angreifer als in wahrstem Sinne des Wortes schwere Brocken, als aufwendig zu knackende Festungen. Diese auf quadratischer Grundfläche ungefähr fünfzig Meter aufragenden Hochbauten mit ihren 4 Meter dicken Stahlbetonmauern sind für den defensiven Luftkrieg konzipiert und in ähnlicher Form auch in anderen Großstädten (Hamburg, Wien) errichtet worden. Ihre originäre Funktion ist zum einen die Bereitstellung von Bunkerraum für die Zivilbevölkerung, das Lazarettwesen sowie zur Lagerung von schutzwürdigen Materialien und Objekten (z. B. Kulturgüter). Sie sind durchschnittlich 50 Meter hoch und verfügen über sieben Stockwerke. Eine Heizung ist für sie nicht vorgesehen, die im Alarmfall 35000 - 40000 Schutzsuchenden erwärmen die Innenräume mehr als genug. Diese Defensivaufgaben im Rahmen der Luftkriegsführung werden zum anderen ergänzt durch die auf der Dachetage eingerichtete Plattform zur Flugabwehr. Diese Schutzbauten besitzen vier an den Ecken leicht hervortretende turmartige Anbauten die mit jeweils einem überschweren Flugabweh

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rgeschütz vom Kaliber 12,8 cm zum Beschuss der hoch fliegenden, strategischen zwei- und viermotorigen Bomberverbände. Gegen Störangriffe von tief fliegenden Jagdbombern (Tiefangriffen) und später auch sowjetischen Schlachtfliegern sind zusätzlich 2-cm-Vierlingsflak (Flak-Vierling 38) positioniert, die mit ihrer automatisch bedingten Ladetechnik eine hohe Kadenz erzeugen können und damit einen Geschossvorgang beträchtlicher Dichte erzeugen können.

Der "Festungsplan" für Berlin sieht drei Verteidigungslinien vor:
1. "Äußere Sperrzone", sie ist mit der administratorischen Stadtgrenze weitgehend identisch, aber besonders im Norden, Osten und Süden von der Sowjetarmee schon an vielen Stellen durchbrochen
2. "Äußere Verteidigungszone", die im Wesentlichen das bebaute bzw. bewohnte Stadtgebiet (Hauptsiedlungsareal) umfasst und sich tortenstückartig in 8 Sektoren unterteilt, die A, B, C, D, E, F, G und H benannt sind. Die Hauptkampflinie dieser Verteidigungszone verläuft entlang defensiv nützlicher Hindernisse, Deckungen und Schussfelder wie Wasserwegen, Bahndämmen, Geländeerhebungen, Unterführungen, Verengungen, Straßen u. Ä.
3. "Zitadelle"; im konzentrischen Mittelpunkt dieser "Verteidigungsanlage" liegt "Z". Dieses Z steht für den innersten Verteidigungsring der den baulichen und administratorischen Kern des Dritten Reiches beeinhaltet: das Regierungsviertel in Berlin Mitte aber auch Teile des Botschaftsviertels in Tiergarten (besonders die Repräsentanzen der Verbündeten).

Die letzte Bastion, "Z" für "Zitadelle", liegt im historischen Herzen der Stadt und muss bis zur letzten Patrone verteidigt werden - spätestens hier würde ein Dammbruch zur unmittelbaren Lebensgefahr für den Konzeptioner, Initiator, Betreiber und die immer wieder sinnstiftende Ikone des Dritten Reichs werden. Die Fortexistenz des Großdeutschen Reiches begründet sich zuerst und zuletzt auf das Sein und Wirken, vulgo Überleben des Führers - jetzt auf die Behauptung weniger Quadratkilometer Ruinenlandschaft.

Dieses Z, die Zitadelle, ist eine durch die Wasserwege Spree im Norden und Landwehrkanal im Süden als Hindernisse geschützte, vermeintlich starke Defensivstellung. Dieser quasi Burgfrieg umfasst folgende Bauobjekte und Dienststellen:
- die Neue Reichskanzlei/Reichskanzlei (Führerhauptquartier/Bunker) mit Feldstaffel des Oberkommandos der Wehrmacht/OKW und Oberkommandos des Heeres/OKH ferner Stabswache der SS Leibstandarte Adolf Hitler / LAH sowie Reichssicherheitsdienst/RSH (Personenschutz für Hitler u. a.)
- das Reichsinnenministerium
- das Reichspropagandaministerium
- das Reichsluftfahrtministerium/Oberkommando der Luftwaffe
- das Reichssicherheitshauptamt/RSHA (Dienstsitz d. Hauptverwaltung ferner     Sicherheitsdienst/SD, Geheime Staatspolizei/Gestapo)
- den "Bendlerblock" - Gefechtsstand des Kampfkommandanten Berlin sowie Dienstsitz     des Befehlshabers des Ersatzheeres
- das Reichsministerium der Finanzen
- das Reichsverkehrsministerium
- den Dienstsitz des Stellvertreters des Führers (zum Zeitpunkt Nebendienststelle der       Reichskanzlei)
- das Reichspatentamt
- das Reichstagsgebäude
- das Botschaftsgebäude der Sozialen Republik Italien
- das Botschaftsgebäude des Kaiserreichs Japan
- das Botschaftsgebäude der Schweizerischen Eidgenossenschaft
sowie die Stadtvilla von Joseph Goebbels, Hotel "Kaiserhof", Brandenburger Tor, Siegessäule, den mittleren Abschnitt der Ost-West-Achse u. a.

Die in Berlin bisher eigentlich als Zitadelle bekannte, baulich hervorragend erhaltene Renaissance-Festung aus dem 16. Jahrhundert, die als massives Bollwerk nördlich der Spandauer Altstadt gelegen, dort im westlichsten Bereich der "Verteidigungszone F" auf Pfähle sowie einer künstlich aufgeschütteten Halbinsel der Havel gebaut und von einer kleinen Wehrmachtsbesatzung bemannt ist, kapituliert vor der Sowjetarmee erst einen Tag nach Hitlers Tod - am 1. Mai.

In Berlin, das nach dem siegreichen Krieg als Welthauptstadt architektonisch-megaloman neu erschaffen, pseudo-klassizistisch aufgrund langjähriger Führervisionen aufgewölbt werden sollte und dann ...

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