Schlacht um Berlin

Der Zerfall einer Waffengattung und der Verlust des Kampfraumes Luft

9. Der frontnahe Krieg und das Ende der fliegenden Luftwaffenverbände

Die Lufthoheit ist auch an der Ostfront schon seit Herbst 1944 klar auf die Seite der sowjetischen Luftstreitkräfte übergegangen. Die Masse an sowjetischem Fluggerät, das beträchtlich auch aus amerikanischen, britischen und kanadischen Hilfsexporten besteht, wird Anfang 1945 schließlich erdrückend, und die Schlachtfliegertruppe (mit ihren Erdkampfflugzeugen) zeichnet sich im frontnahen Bereich immer wieder aus, ist von den deutschen Landsern wegen der Bodenpanzerung schwer zu bekämpfen und wegen ihrer Feuerkraft gefürchtet.

Obwohl die Deutsche Luftwaffe in einer ganz dünnen Spitze technologisch mit den Strahltriebwerk bzw. Raketentriebwerk gerüsteten Mustern Messerschmitt Me 262 (Schwalbe / Sturmvogel, Arado Ar 234 (Blitz), Heinkel He 162 (Salamander) und Messerschmitt Me 161 (Kraftei) über einen immensen Entwicklungsvorsprung verfügt, können diese Hightech-Produkte weder in Menge, Einsatzkonzepten, Pilotenausbildung noch Zuverlässigkeit eine effektive Tauglichkeit erreichen.

Immer mehr geraten die Frontflugplätze in die unmittelbare Reichweite der gegnerischen Jagdbomber - der Flugbetrieb und die Einsatzrate trudeln als sich dynamisierende Abwärtsspirale von sinkenden Klarständen und nicht mehr zu ersetzenden Verlusten zunehmend ins Nichts.

Die, trotz sich dezimierender Substanz, permanent aufrecht erhaltene Einsatzbereitschaft über Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Italienfront, die hohen, auch durch in der Breite entwicklungstechnisches Nachlassen verursachten Verlustraten bei den Maschinen mit dem Balkenkreuz und deren Besatzungen, dazu der erlahmend wirkende Mangel an Betriebsstoffen und das Ausbluten der Pilotenbestände lässt die Luftwaffe merklich jeden Tag weiter zusammenschmelzen. Die deutschen Fronten haben, genauso wie das Reich kein Dach mehr über dem Kopf.

Die Hauptlast des Kampfes kann Befehlshaber Reichsmarschall Göring nur noch von den zunehmend veraltenden Standardjägern und -jagdbombern der Typen Messerschmitt Me 109 sowie der noch immer auf technischer Höhe befindlichen Focke Wulf FW 190 verrichten lassen. Der schon fast archaisch legendäre Sturzkampfbomber Junkers Ju 87 (Stuka) bewährt sich als Version G (Kanonenvogel) in der modifizierten Rolle des halbhorizontal attackierenden Tiefangriffsflugzeuges bis April als Panzerknacker und Konvoischreck. Damit bildet das seit Jahren als veraltet geltende Arbeitspferd Junkers Ju 87 "Stuka" immer noch das Rückgrad des frontnahen Bomben- und Tiefangriffskrieges. Mit ihrer bei nur knapp 400 km/h liegenden Höchstgeschwindigkeit ist sie jedoch meist nur mit aufwendiger Jägerbegleitung oder im Schutze der Dunkelheit einzusetzen (Nachtschlachtgeschwader).

Fast mehr noch als für alle motorisierten Verbände des Heeres wirkt sich der Mangel an Treib- und Schmierstoffen für die Luftwaffe paralysierend aus. Die Energie-Versorgungslage mit flüssigen Kohlenwasserstoffen tendiert sowohl produktionsseitig als auch auf Ebene des zuliefernden Bahntransportes gegen Null. Die wenigen deutschen Hydrieranlagen zur Kohleverflüssigung erreichen im März 1945 nur noch 3 % ihrer Produktionsspitze von 1943. Durch pausenlose Luftangriffe und die Vorstöße des Feindes sind auch die Kohlevorkommen, Schienenwege und das rollende Transportgerät größtenteils zerstört oder in Feindes Hand. Die deutschen Heeres-, Marine- und Luftwaffenverbände versorgen sich aus ihren letzten Reserven oder, sofern möglich bzw. sinnvoll, durch Requierung.

Die Selbstmordeinsätze von "Rammjägern" durch unerfahrenen Luftwaffennachwuchs bleiben eine Fußnote im totalen Kriegseinsatz. Dieser instrumentalisierte jugendlich-patriotische Enthusiasmus und durch Gruppendruck und Selbstbeweis beförderte Kamikaze-Einsatz gegen allierte Bomberpulks und die von den Russen genutzten Oderbrücken (verhohlen deklariert als "Totaleinsatz") können nicht einmal psychologische Abschreckungseffekte beim Gegner erzielen. Der in der letzten Kriegsphase organisiert vermehrt auftretende "Verlusteinsatz" von Gerät und Mensch ist ein weiteres untrügliches Indiz für eine nicht mehr auszugleichende signifikante Unterlegenheit sowie den beginnenden Todeskampf des Regimes.

Nach dem Durchbruch der beiden sowjetischen Heeresgruppen gerät Berlin in die Zangenbewegung ...

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