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Schlacht um Berlin
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Sowjetischer Sturm auf Berlin und weiteres Vordringen der Westalliierten8. Der sowjetische Oderübergang und die Schlacht um die Seelower Höhen Die Sowjets können hingegen, wenn auch unter erheblichen Anstrengungen, zur letzten Offensive personell und materiell aus dem Vollen schöpfen. Sie vollenden in den ersten beiden Aprilwochen ihren Aufmarsch zum letzten Schlag gegen die "faschistische Bestie" und konzentrieren 6250 Panzer und Artilleriepanzerfahrzeuge, 2,5 Millionen Mann, 40000 Geschütze, 3200 Raketenwerfer sowie 7500 Kampfflugzeuge östlich der Oder respektive in den linksseitigen Brückenköpfen. Auf deutscher Seite stehen dieser Streitmacht nur ca. 250000 Mann gegenüber. Das entspricht einem Stärkeverhältnis von 1:10. Befehligt wird diese Militärmacht im nördlichen Frontabschnitt von Marschall Schukow (1. Weißrussische Armeegruppe) und im Süden von Marschall Konjew (1. Ukrainische Armeegruppe). Dabei konkurrieren beide um die Gunst Stalins und - vor allem natürlich auch in Anbetracht der historischen Bedeutung des Sturmlaufes auf das Zentrum des Feindes - für ihre persönliche Karriere-Biographie. Eroberungseitelkeit als zu befriedigende Unsterblichkeitssehnsucht gilt es, in den nächsten Tagen und Wochen zu verlangen. Es winkt der Rang "Siegreicher Feldherr von Berlin". Besonders Schukow zeichnet sich bei diesem Wettlauf auf Ruhm und Ehre durch ungestümes Verhalten aus. Da kann es schon passieren, dass er Untergebene vor Anwesenden persönlich züchtigt, so wird jedenfalls später kolportiert. Das Wissen darum hätte die NS-Propaganda bestimmt ausgeweidet. Eines bleibt bei der Schilderung seiner Person jedoch häufig prägnant, von zimperlicher Natur war der Sohn eines Schusters und gelernte Kavallerist nicht. In der zaristischen und später auch in der Sowjetarmee haben persönliche Willkür, zynische Schikane, ruchloser Kameradendiebstahl, habgierige Untergebenenerpressung und sadistische Quälereien eine breite Traditionslinie. Das Offizierskorps ist unerbittlich, die Jahrgangshierarchie ist unerträglich. Der "Große Vaterländische Krieg" wird von einer Armee bestritten, in der der jeweils Vorgesetzte bis zum allerhöchsten zu recht oft mehr gefürchtet wird als der Feind. Keiner der beiden Truppenführer, weder Schukow noch Konjew, scheint sich der Brisanz bewusst zu sein, dass im Erfolgsfalle ein persönlicher Prestigegewinn bzw. Machtzuwachs dieser Art auf Anordnung des Generalissimus schnell auch einer Säuberung geopfert werden kann. Dann wird aus einem strahlenden Helden der Sowjetunion ganz schnell ein ambitionierter Verräter und abgefeimter Volksfeind. Aber noch lässt Stalin, der drängenden Sachgründe wegen, dem Ehrgeiz seiner Heerführer freien Lauf. Jeder möchte als Erster das rote Siegesbanner über Berlin Mitte aufpflanzen dürfen - und zwar allseitig unangefochten. Dr. Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, ist von Hitler im September 1944 zuerst zum Generalbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz ernannt worden und wird dann kraft seines Amtes als Gauleiter zum Reichsverteidigungskommissar von Berlin. Diese Amtstitel bleiben aber weitgehend inhaltsleer. Seine eigentliche Macht bleibt die der Suggestion. Die in den deutschen Ostgauen nicht nur von betrunkenen Sowjetarmisten verübten massenweisen Vergewaltigungs- und Greueltaten werden in der Deutschen Wochenschau vom 22. März 1945 noch einmal eindrucksvoll thematisiert, um Angst, Verachtung, Hass und damit den Verteidigungswillen zu steigern. Die Filmaufnahmen zeigen zivile Leichen mit Schusswunden, verstörte Frauen und ihre Opfer- und Augenzeugenberichte sowie eine Wandaufschrift "Schützt unsere Frauen u. Kinder vor den roten Bestien." Am 15. April 1945 findet die letzte sowjetische
Lagebesprechung der Generalstabsvollversammlung vor dem
Großangriff an einem überdimensionalen Reliefmodell des
zukünftigen Oderschlachtfeldes statt. Das Einbringen von Hunderttausenden von Kriegsgefangenen als
Zwangsarbeiter, die Arrestierung von Kriegsverbrechern sowie von
Intelligenz zur eigenen Nutzbarmachung ist unmittelbar vorzunehmen.
Wichtig ist ferner die Habhaftmachung von Obristen, Generalen und hohen
Funktionsträgern von Wehrmacht und SS, von Kadern aus NSDAP und
deren unterstellten Gliederungen sowie populären Künstlern
von Leinwand, Funk und Bühne. Der Zugriff auf Experten aus
Verwaltung, Versorgung, Wissenschaft / Forschung / Technik
(wahrscheinlich auch und nicht zuletzt aus der Atomforschung, die in
Berlin im "Kaiser-Wilhelm-Institut" ein wichtiges Zentrum beherbergt),
soll eine reibungslose und umfassende Machtübernahme
gewährleisten. Nahtlos sollen alle frei gewordenen Planstellen in
Verwaltung und Versorgung von eigenen Kadern besetzt oder zumindest
dominiert werden. Natürlich sind auch und nicht zuletzt die Akten-
und Dokumentbestände in der Reichshauptstadt von
unschätzbarem Interesse. Deren Besitz verspricht einen
Herrschaftseinfluss oder zumindest die Aneignung maßgeblicher
Instrumente auch für die Zukunft. Die Verschleppung von
Kulturgütern und die industrielle sowie versorgungsstrukturelle
Demontage als Kriegsbeute und zur Kompensation der eigenen immensen
Einbußen wird in der Industriestadt Berlin
erwartungsgemäß ein reichliches Betätigungsfeld finden,
auch wenn die Stadt bombenverwüstet ist und die bevorstehenden
Bodenkämpfe bis dahin noch weitere substanzzerstörende
Wirkungen zeitigen werden. Und letztlich hofft man vage auch, die
Personen Stalin spricht wie Hitler offen aus, was auch alle anderen führenden Kriegsherren dieses Weltkonfliktes denken, wonach sie handeln und das als Handlungsmaxime annähernd das nachfolgende halbe Jahrhundert politisch, sozial, ökonomisch und militärisch global determinieren wird: "Dieser Krieg ist anders als die vergangenen. Wer ein Territorium besetzt, wird ihm die eigene gesellschaftliche Ordnung auferlegen. Jeder führt sein eigenes System ein, soweit seine Truppen vordringen können. Es kann gar nicht anders sein." US-Präsident Roosevelt hatte sich trotz der Warnungen seines westlichen Bündnispartners, Churchill, von Stalin einlullen lassen und glaubte nicht an eine hervorragende stratetische Bedeutung von Berlin (!), genauso auch sein nachfolgender Vize Harry S. Truman. Folglich unterbleiben die erforderlichen aktiven Maßnahmen zur Eroberung der deutschen Hauptstadt durch die US-Truppen - auch aus Gründen der Verlustratenreduktion, obwohl zwischen den US-Streitkräften und Berlin nur noch die stark geschwächte, weitgehend ohne Luftunterstützung und Brennstoff- und Munitionsreserven operierende deutsche 12. Armee steht. Der Oberbefehlshaber der (West-) Allierten Streitkräfte in Europa, der US-General Dwight D. Eisenhower, lässt folglich einen Teil seiner Truppen (9. US-Armee) an der Elbe Halt machen und die anderen beiden nach Thüringen, Sachsen (1. und 3. US-Armee) sowie Franken, Bayern (3. US-Armee) abschwenken und vermeidet den potenziell verlustreichen Häuserkampf in Berlin. In der US-Heimat ist man ihm ob der Vermeidung eines zusätzlichen Blutopfers bestimmt nicht gram, zumal der noch andauernde Pazifikkrieg gegen Japan aus nationaler Sicht jeden Tag blutig genug ist. Man überlässt der UdSSR die Meriten, aber auch das Blutopfer und vor allem den Vorteil des ersten Zugriffs. Deutsche Pioniere haben die Flussauen geflutet, sodass die sowjetische Infanterie auf der linken Oderseite oftmals keinen Fuss an trockenes Land setzen kann, sondern ein Sumpf- und Schlammareal durchqueren muss, um dann durchnässt den unmittelbaren Kampf aufnehmen zu müssen. Am 16. März um 4:00 Uhr, nach kurzer, aber schwerer Artillerievorbereitung, die wohl als größter Feuerschlag an der Ostfront überhaupt zu bewerten ist, erhellen 1600 Flakscheinwerfer die deutschen Stellungen, aber auch die eigenen vorrückenden Panzer und Infanteristen, die dadurch häufig zu hervorragenden Zielscheiben werden. Häufig illuminiert diese Festbeleuchtung auch die Abgasschwaden der Kampfpanzer und die durch schnelle Geländefahrt aufgewirbelten Sandböden - die Voraussicht schrumpft so auf wenige Meter. Der beabsichtigt demoralisierende Blendeffekt wird zur Selbstbeleuchtung oder lichtgleißenden Selbstvernebelung und fordert in den Angriffsreihen der Roten Armee unnötigt viele Opfer. Generaloberst Heinrici, der in militärischen Angelegenheiten regimekritische Oberbefehlhaber der deutschen Oderfront, gilt als besonderer Experte der Defensivkriegführung und hat vor dem Artillerieschlag der Russen die eigenen Verbände in gut ausgebaute, rückwärtige Stellungen verlegt, sodass die Zerstörungswirkung des Granatenhagels fast gänzlich ins Leere geht. Die zum Teil steil ansteigenden Seelower Höhen, in denen sich der größte Teil der deutschen 9. Armee eingegraben hat, erweisen sich für die russischen Panzer im Direktangriff als größtenteils unpassierbar. Die nachrückende Infanterie gerät ohne deren Deckung in massives deutsches Abwehrfeuer. So bleibt der Angriffsstoß unerwartet liegen, und Schukow, von Stalin zum unmittelbaren Erfolg gedrängt, setzt weitere Panzerreserven ein, sodass die vorgerückte eigene Infanterie im wahrsten Sinne des Wortes "zwischen die Fronten gerät". Die ersten 36 Stunden entwickeln sich für die Angreifer dadurch zum Desaster und legen immense Defizite bei der Feindaufklärung sowie unnötige Koordinationsschwächen bei den involvierten Sowjetstäben bloß - zumal die potenzielle planerische Vorbereitungszeit mehrere Wochen maß. Aber wie im gesamten Ostkrieg setzen die Sowjetkommandeure weiterhin auf einen schließlich erfolgversprechenden aber gnadenlosen Masseneinsatz, immer mit der Gewissheit eines Massensterbens in den eigenen Reihen. Obwohl oder gerade weil der von Konjew befehligte südliche Frontabschnitt eine merklich größere Entfernung zu Berlin aufweist, gelingt hier der Durchbruch sehr viel eher und der dadurch erfolgende Raumgewinn bringt seine Truppen deutlich früher an Berlin heran. Nach Einsatz weiterer Kampfpanzer- (T-34 sowie JS-2) und Sturmgeschützreseserven (SU-85), die die deutschen Stellungen im nördlichen Frontabschnitt und auf den Durchgangsstraßen durchstoßen, sowie forcierter Luftunterstützung, in der besonders das schwer gepanzerte Schlachtflugzeug vom Typ Ilyushin Il-2 "Stormowik" und der im Erdkampf eingesetzte Bomber Petljakow Pe-2 brechende Wirkung erzielen, gelingt am 18. auf den 19. April auch Schukow der Durchbruch nordöstlich von Berlin. Der entrichtete Blutzoll für diesen Erfolg ist allerdings so hoch, dass Stalin darüber erst einmal nur geschönte Zahlenangaben vorgelegt werden. Nach offiziellen Angaben fallen auf Seite der Roten Armee vor, auf und hinter den Seelower Höhen von den eingesetzten Nur ein geringer Teil der auf dem Rückzug befindlichen und stark angeschlagenen 9. Armee wird durch den sowjetischen Angriffskeil auf das Stadtgebiet abgedrängt, während sich das Hauptkontingent der Truppe auf die nördlich von Berlin gelegenen Stellungen der Wotanlinie zurückzuziehen versucht. Dort soll das, was davon noch übrig beblieben ist, hinhaltenden Widerstand leisten und Kräfte binden, ein weiteres Vordringen der Sowjetkräfte entlang der deutschen Ostseeküste abriegeln und zudem vom Gegner als eine ernst zu nehmende Entsatzdrohung für Berlin wahrgenommen werden. Das kann dieser Verband nicht mehr leisten und löst sich bedingt durch Feindeinwirkung, Brennstoff-, Munitions-, Verpflegungs- und letztlich auch Motivationsmangel langsam auf.
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