Schlacht um Berlin

Entscheidungsschlachten im Westen

6. Rheinübergänge und Ruhrkessel

Am 7. März gelingt amerikanischen Vorausverbänden zwischen Bonn und Koblenz der Rheinübertritt auf einer nicht rechtzeitig bzw. nicht erfolgreich gesprengten und militärisch fast gar nicht gesicherten Eisenbahnbrücke bei Remagen. Schnell wird der darauf gebildete rechtsrheinische Brückenkopf durch flankierende Pontonbrücken unterstützt, sodass er sich schnell zum "Sprungbrett" für die US Forces ausweitet. Die daraufhin erfolgenden nachträglichen Zerstörungsversuche durch Luftwaffe, Kampfschwimmer und sogar V2-Einsatz bleiben allesamt ein Schlag ins wasser. Am gleichen Tag nimmt das VII. Korps (Collins) der 1. US-Armee nach kurzem aber heftigem Gefecht die rechtrheinische Stadthälfte des zu 76 % zerstörten Kölns. Damit gelingt an einem Tag zweimal der taktisch wichtige Rheinübertritt. Als Drittem gelingt in Deutschland die nachhaltig erfolgreiche Rheinüberquerung dem stets unermütlich verdienstvollen, aber bis zur Geltungssucht ehrgeizigen US-Panzergeneral George Smith Patton am 23. März 1945 bei Koblenz mit Sturmbootkommandos. Er kommt damit bewusst und triumphierend dem am nächsten Tag anlaufenden Großangriff mit Flussüberquerung nahe der niederländischen Grenze zuvor und brüstet sich mit der Effizienz, d. h. Unaufwendigkeit, seines Erfolgs.

Das den Niederrhein überquerende Eindringen beträchtlicher, hauptsächlich alliierter Truppenverbände in die Norddeutsche Tiefebene gelingt dann dem Oberbefehlshaber des Nordabschnittes, Montgomery (Monty"), am 24. März zwischen der Ortschaft Rees (2. Britische Armee) und dem deutschen Garnisionsstandort Wesel (9. US-Armee) nach stundenlanger Artillerievorbereitung. Die dafür im rechtsrheinischen Feindesland zum Einsatz kommenden anglo-amerikanischen luftgestützten Kontingente erleiden dabei in der Landezone erhebliche Verluste, die jene des D-Day in der Normandie (1944) und die bei Arnheim (Operation "Market Garden") übersteigen. Die alliierten Lastensegler und Fallschirmjäger geraten dabei zirka 10-20 Kilometer östlich des Rheins schon in der Luft in das Kreuzfeuer massierter deutscher Panzerverbände sowie Grenadier- und Flakeinheiten.

Am 28. März besucht Großbritaniens Premierminister und Kriegsherr Winston Churchill im Westen die eroberten deutschen Gebiete bei Wesel. Am 4. April 1945 wird die deutsche Heeresgruppe B, (Generalfeldmarschall Walter Model) endgültig bei Lippstadt von der 1. US-Armee unter Hodges sowie der 9. unter Simpson eingeschlossen. Das Ruhrgebiet, das trotz aller Bombenverheerungen immer noch über eine starke Industrie- und besonders Rüstungsproduktion verfügt, ist eingeschlossen, als Kessel vom Restgebiet des Reiches separiert. Entsatz ist nicht in Sicht, sodass sich vom 15. bis 16. April insgesamt 325.000 Angehörige von Wehrmacht und Waffen-SS in Gefangenschaft gehen. Einer der letzten drei großen geschlossenen Heeresverbände im Westen ist damit im Kern zerschlagen.

Der Wehrmachtbericht meldet auch danach im Westen punktuell immer wieder andauernde schwere Gefechte von unter Führung unbeugsamer Kommandeure stehenden Heereseinheiten mit den vorstoßenden US-Verbänden.

Auch kommen die im Nordabschnitt kämpfenden Briten und Kanadier bei der Besetzung der Norddeutschen Tiefebene und dem Erreichen der ostfriesischen Nordseeküste nicht gerade zügig voran. Die wichtigen deutschen Kriegs- und Frachthäfen an der Nordsee wie Emden, Wilhelmshaven (Haupt-Stützpunkt), Bremen, Bremerhaven sowie Cuxhaven sind bis Ende April/Anfang Mai 1945 immer noch in deutscher Hand und können von den Okkupanten als Nachschublinien bis Kriegsende folglich nicht mehr nutzbar gemacht werden. Die stark zerstörte "Festung" Hamburg kapituliert vor dem britischen XII. Korps sogar erst am 2./3. Mai, genauso wie das ostseeische Lübeck.

Zwar ist die Luftüberlegenheit der Briten erdrückend, aber zu ebener Erde sind die konstruktiv und einsatztaktisch der britischen Cruiser-Tank- und Infantriepanzer-Konzeption verpflichteten Typen "Churchill" und "Cromwell" waffentechnologisch den moderneren deutschen Kampfpanzern an Feuerkraft, Beweglichkeit und Einsatzraffinement deutlich unterlegen. Auch ist die Personaldecke bei den Infantrie-Einheiten merklich dünner als beim US-Verbündeten. Überdies wollen die englischen Troupiers die eigenen Verluste in den letzten Kriegstagen möglichst gering halten - nicht selten und auch nicht zuletzt -, weil sie häufig, zwar kleinen, aber umso kampfentschlosseneren, im Land-Einsatz befindlichen Flak- und Objektschutz-Einheiten der Deutschen Kriegsmarine gegenüberstehen, die ihrem Chef, Großadmiral Dönitz, treu ergeben sind und sich deshalb so schnell auch nicht ergeben. Es gilt, die verbliebene U-Boot-Logistik so lange wie möglich betriebsbereit zu halten. Die vom Kriegsherrn Hitler all die Jahre kurz gehaltene Marine bewährt sich auch weiterhin todesbereit, in der Schlussphase des Krieges sogar als "Landratten" in geradezu prätorianischer Weise - wenn auch fernab von Berlin. Die im eigentlichen Sinne aus Mangel an Gelegenheiten schon nicht mehr wirklich weltläufige Marine gibt sich ein letztes Mal stoisch, vaterländisch und ungemütlich.

Bei der Eroberung des deutschen Staatsgebietes bricht der latente Strategiestreit zwischen Montgomery (Oberbefehlhaber der britischen Truppen in Europa) und Eisenhower (Oberbefehlshaber der Allierten Gesamtstreitkräfte in Europa) jetzt offen aus: Während der eine, gestützt durch Churchill, einen starken Angriffsstoß auf Berlin favorisiert, befiehlt der Amerikaner ein langsameres, verlustdämpfendes Vordringen mit weiteren Schwerpunktbildungen Richtung Sachsen und nördliche Alpen. Damit wird ein entschiedenes, schnelles Vordringen der Westallierten auf Berlin unterbunden. Am 9. April besetzen Einheiten der 9. US-Armee Hannover und rücken in breiter Front auf Elbe und Harz vor. Erst vor Magdeburg stoßen sie auf hartnäckigen deutschen Widerstand, können aber schon am 12. April die Elbe südlich von Dessau überschreiten und einen Brückenkopf bilden.

Die planerischen Etappenziele für den weiteren Vormarsch auf Berlin sind quasi im Tagesmarschabstand gestaffelt und lauten kryptisch 1) Silver, 2) Silk, 3) Satin, 4) Daisy, 5) Pansy, 6) Jug und 7) Goal (westliche Stadtgrenze Berlins), aber in den befassten US-Stäben herrscht die Meinung vor, dass "Goal" auch schon in 48 Stunden erreicht werden könne. Schließlich stoppt Eisenhower das Vorhaben, weil er die Einnahme Berlins militärisch explizit zweitrangig und zudem verlustträchtig hält. So überlässt er Stalin und Schukow die Eroberung der Stadt. Folglich machen die US-Truppen der 9. Armee an Elbe und Mulde halt und erwarten dort die von Osten vorstoßenden Russen. Eisenhower perpetuiert mit seinen anderen Armeen die Besetzung von Thüringen/Sachsen und den Vormarsch auf die nationalsozialistischen Zentren Nürnberg und München ("Hauptstadt der Bewegung") sowie die imaginäre "Alpenfestung", in der einige Militärs seiner Umgebung sogar Hitlers finalen Aufenthaltsort und demgemäß hartnäckig organisierten Widerstandswillen vermuten. Am 20. April 1945, dem Führergeburtstag, wird Nürnberg nach zum Teil heftigen Kämpfen genommen.

Das militär-taktische Ziel der Eroberung der Gauhauptstadt von Oberbayern, München, hat allerdings auch nicht unbedeutende politische und rechtspolitische Motive. In München befindet sich die Hauptverwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit den Karteien aller Mitglieder und mit dem administratorischen Stammsitz, der Reichsleitung dieser Organisation. Spezialkommandos innerhalb der vorrückenden US-Verbände hoffen zudem auf die Inbesitznahme weiterer interessanter Aktenbestände und Dokumente. Die Einnahme Münchens gelingt Einheiten der 7. US-Armee dann am 30. April nahezu kampflos.

Der Bombenkrieg der Westalliierten gegen Berlin wird hingegen mit unverminderter Intensität bis kurz vor ihrem totalen Einschluss (21. April 1945) fortgeführt. Die Stadt erlebt 1945 in 110 Tagen noch 123 Bombenangriffe mit zum Teil erheblichem Ausmaß. Der Berliner reimt: "Wir lassen uns die Laune nicht verderben, wer heute stirbt, braucht morgen nicht zu sterben", und man grüßt sich nachbarschaftlich sarkastisch: "Bleiben Sie übrig!". Die Innenstadt Berlins ist spätestens seit 1944 ein Trümmerfeld, sporadisch drapiert von Durchhaltelosungen aus dem Propagandaministerium. Auf Spruchbändern und als Wandparolen liest man ostentativ Entschlossenes sowie uninspiriert Pathetisches:
- "Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht"
- "Das Volk steht auf - der Sturm bricht los"
- "Lieber tot als rot"
- "Tapferkeit und Treue für Volk, Reich und Führer"
- "Der Endsieg ist uns gewiss"
oder eher trotzig bis bemüht klingende Losungen wie
- "Jetzt erst recht - Kampf bis zum Sieg"
- "Berlin bleibt deutsch"
- "Sieg oder Sibirien"
und immer wieder das seit der "Ostmark-Aktion" (Anschluss Österreichs / 1938) schon etwas verblichene, trotzdem in die Idiomatik des Deutschen gelangte, eher schon klassisch schlichte "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" sowie das seit dem Befreiungskrieg gegen Napoleon (1813 - 1814) geläufige, speziell zur Aufstellung des Volkssturm als letztem Aufgebot reanimierte "Nun, Volk steh auf und Sturm brich los!".

Die Verlustrate der westlichen Bomberverbände liegt bei Einsätzen über der Stadt auch Anfang 1945 noch bei 3-5 %, obwohl die Heimatverbände der deutschen "Jagd"-Waffe zunehmend unter Mangel an Flugbenzin und erfahrenem Fliegerpersonal leiden. Die Flakgeschütze in der Stadt werden aus Mangel an männlichen Erwachsenen fast ausschließlich von vierzehn- bis sechzehnjährigen Luftwaffenhelfern ("Flakhelfer") bedient, die vorrangig mit 8,8-, 12,5- sowie 12,8-Zentimeter-Kalibern in den Himmel zielen. Später werden diese Einheiten gegen die Sowjetarmee in den innerstädtischen Straßenkampf eingreifen. Auch wird seit Jahren eine zunehmende Anzahl von Frauen (Luftwaffenhelferinnen) in den Luftgefechtsständen zur Zielerkennung und -verfolgung eingesetzt.

Die Mobilisierung ist nahezu total. Der "Führer" lässt die Volksgemeinschaft über Rundfunk ...

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